Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt und der uns hilft zu leben.

Herrmann Hesse

61.Tag

Sonntagmorgen sagt mir mein Bauchgefühl, dass Kelly ihrer Babybande heute das feuchte Heim kündigen wird. Das Frühstück wird nur schräg angeschaut und die tägliche Körpertemperaturkontrolle zeigt 1 Grad weniger als noch am Vortag. Alles deutet auf den Beginn einer aufregenden Geburtsreise hin.

Doch Kelly gibt sich tiefenentspannt. Sie weigert sich wie immer auch nur ein Pfötchen in ihre Wurfbox zu setzen, obwohl die in den letzten Tagen ihr Lieblingskuschelplatz war.

Stattdessen liegt sie auf dem Sofa und schaut von oben in die Box hinein, als wenn dort, ganz von allein, hex hex ein Häufchen Welpen erscheint.

Doch ich kenne ja meine Kelly. Sobald ich es kurz wage den Raum zu verlassen, wird sie munter und verfolgt mich auf Schritt und Tritt und schwänzelt nervös um mich herum.

Die Hebamme möchte bitte in der Nähe bleiben.

Und dann, ganz plötzlich um kurz nach 18 Uhr, schaut sie mich an, fängt an zu hecheln und ihr Blick sagt: Jetzt, ich bin bereit, los geht's.

Also schnell noch die letzten Vorbereitungen treffen, mit Kelly auf mir, denn die Wurfbox ist immer noch keine Option. Ein hektisches Telefonat um meiner Tochter Bescheid zu geben, die unbedingt bei der Geburt dabei sein wollte. Jetzt muss sie flott sein, denn Kelly und ich liegen mittlerweile mehr oder weniger gemeinsam im Hundekreissaal, da die Geburt auf dem Sofa für mich keine Option ist.


Um 18.40 Uhr plumpst Herr Blau mit 345g nach ein paar anstrengenden Presswehen ins Leben. Putzmunter und direkt auf der Suche nach der Milchbar. Die Reise hat begonnen.

19.42 Uhr folgt mit 343g Fräulein Rosa und direkt danach um 19.50 Uhr mit 312g Fräulein Lila und keine Zeit zum Luftholen um 20.00 Uhr Herr Grün mir 318g.

Bei so einem Tempo sind wir froh, dass wir diesmal eine Hilfshebamme dabei haben, die uns unterstützt und gaanz wichtig, viel Nervennahrung in Form von Kinderschokolade und Co. mitgebracht hat. Denn egal wieviel Routine man vielleicht hat und jeder seinen Handgriff kennt, jede Geburt ist neu, anders, spannend und unvorhersehbar.

So bleibt es auch bei der Schokolade, der Kaffee muss warten, denn um 20.25 Uhr fordert Herr Türkis mit 340g sein Recht auf Leben außerhalb von Kelly.

Trockenrubbeln, abnabeln, wiegen, Halsbändchen verpassen, alle durchsortieren, einmal Luft holen und da kommt um 20.55 Uhr schon Fräulein Gelb mit 332g auf die Welt.

Zwei Stunden und 20 Minuten und die Ultraschallquote unserer Tierärztin ist erfüllt und eine Pause setzt ein. Sollte sie Recht behalten? Dann hat Kelly auf alle Fälle eine Blitzgeburt hingelegt.

Endlich Zeit für einen Kaffee und ein schnelles Abendessen.

Das Restrudel saugt uns förmlich ein, um jeden Augenblick der Geburt nachzulesen. Alle sind völlig aus dem Häuschen und sehr aufgeregt.

Mit dem Kaffee in der Hand sitze ich und schaue auf das Wunder in der Wurfbox und da sehe ich es ganz deutlich in Kellys Blick. Dieser Blick, der nach innen gerichtet scheint, als wäre sie in einem stillen Gespräch und laut verkünde ich: " Das Babyrudel ist noch nicht voll, es geht noch weiter" und Kellys wissender Blick bestätigt meine Aussage.

So überrascht uns auch um 0.00 Uhr nicht Herr Braun mit 338g.

Und wieder eine lange Pause. Geburt beendet? Kelly wirkt erschöpft und auch wir merken die Strapazen. Um 1 Uhr schicken wir Rainer als ersten für eine Pause ins Bett, um die Ablöseschichten der nächsten Tage zu gewährleisten.

Wenn da nicht immer wieder diese leichten Presswehen zu sehen wären würde ich sagen, das Rudel ist voll, aber...

Meine Tochter ist sich sicher, ich sehe Gespenster, doch ich animiere Kelly zu einem Gang durch den Garten, immer mit Taschenlampe und Handtüchern im Schlepptau, man weiß ja nie und siehe da, die Wehen werden wieder stärker und um 2.55 Uhr kommt mit 293g Fräulein Rot munter auf die Welt.

Was für ein Gezappel in der Wurfbox, 8 Minnilockenköpfe strampeln an der Milchbar um die Wette.

Pause, selbes Spiel, Kelly kommt nicht so recht zur Ruhe, ich kenne sie, da passiert noch was. Die Nacht schreitet voran, der Kaffeeverbrauch auch und um 4.50 Uhr, draußen wird es schon hell, kommt Herr Schwarz mit 273g ins Leben.

Wow, jetzt sind es schon neun und die Uhr läuft, aber Kelly ist noch nicht angekommen. Ich sehe es ihr an, da fehlt dieses Ausatmen am Ende, das tiefe Durchschnauben, diese friedliche Stille am Ende einer Geburt. Ein wenig Sorgen machen wir uns jetzt schon. Es ist mittlerweile 5 Uhr und wir alle sind mehr als erschöpft. Aber Kelly ist eine Löwenmama und eine Kämpfernatur. Um 5.28 Uhr schenkt sie Fräulein Orange mit 346g das Leben. Mir fehlen die Worte, das Rudel ist um 10 Zimtschnecken angewachsen.

Und da ist sie, diese friedliche, zufriedene Ruhe bei Kelly. Erschöpft schließt sie die Augen, lässt sich auf die Seite fallen und horcht still auf ihren Nachwuchs. Jetzt weiß ich sicher, die Geburt ist abgeschlossen.

Wir gönnen Kelly ein wenig Ruhe, wecken Rainer, der es kaum glauben kann, als er in die Wurfbox schaut und dann werden noch einmal alle Kräfte gesammelt.

Kelly kommt unter die Dusche, aus dem Kreissaal wird ein gemütliches Babyzimmer und um 8.36 Uhr ist die Reise der Geburt offiziell beendet.

Der F- Wurf ist da und bereit die Welt zu erobern, aber erst nachdem ich geschlafen habe... gut, dass Rainer jetzt munter ist.🐩🐩🐩🐩🐩🐩🐩🐩🐩🐩



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